04.06.2025 09:01 AM

Von der Idee zum Geschäftsmodell: Venture Building in der Praxis

Zwischen Chaos und Struktur: Venture Building bei neosfer

Personen sitzen am Tisch und denken über neue Ideen nach

Umwege, Sackgassen, Zielgerade: Für uns bei neosfer ist Venture Building das Mittel der Wahl, um Geschäftsideen schnell in marktfähige Unternehmen zu überführen. Wir zeigen, wie wir Ideen strukturiert testen – und warum der Weg oft wichtiger ist als das Ziel.

Innovationen entstehen selten auf Knopfdruck. Sie brauchen Raum, Reibung, Agilität und manchmal auch die Bereitschaft, in Sackgassen zu laufen. Bei neosfer schaffen wir diesen Raum unter anderem durch Corporate Venture Building; darunter versteht man einen strukturierten Prozess, bei dem neue Geschäftsideen identifiziert, validiert und – bestenfalls – in marktfähige innovative neue Unternehmen überführt werden.

Für uns ist dies das Werkzeug der Wahl für unseren Innovationsprozess. Mehr zu den verschiedenen Open Innovation Tools und der Technologie, die es gibt und die wir einsetzen, hat unsere Kollegin Lily Sondhauß mit ihrem Know-how sehr gut in diesem Beitrag aufgeschrieben.

Oft sind Innovationsprozesse in Unternehmen sehr langsam, bedingt durch starre Strukturen und Prozesse, zig Powerpoint-Folien und Abstimmungsrunden. Unser Motto hingegen ist „Build fast, learn fast, fail fast“. Mit Venture Building schaffen wir es von der ersten Idee zum Prototyp in weniger als sechs Monaten. Der agile, iterative Prozess ermöglicht Unternehmen wie uns, risikoarm zu experimentieren und gleichzeitig Ressourcen effizient zu nutzen. Wie unser Prozess hierfür aussieht, darauf gehen wir im Folgenden ein.

Ein Prozess für Innovation in drei Phasen

Ideen finden, testen, umsetzen – das sind die drei Phasen unseres Innovationsprozesses. Das klingt einfach, ist in der Realität aber komplex. Denn jede Phase bringt eigene Fragen, Unsicherheiten und Aha-Momente mit sich. Keine funktioniert für sich allein.

Die drei Phasen der Ideenfindung bei uns.

Phase 1: Ideen finden, ohne zu filtern

Wie entstehen gute Ideen als Venture Builder? Sicher nicht durch bloßes Brainstorming, bis das Whiteboard voll ist. Unsere Ideen für neue Geschäftsmodelle kommen aus ganz unterschiedlichen Quellen:

  1. Interne Ideen: Mitarbeitende etablieren Ideen über Formate wie den DRIFT-Prozess – schnell, unkompliziert und niedrigschwellig.
  2. Markt- und Technologie-Trends: Unsere Foresight- und Research-Teams erschliessen frühzeitig relevante Entwicklungen und Chancen.
  3. Externe Inspiration: Zusammenarbeit mit Startups, Innovationsnetzwerken und externen Expert:innen liefert frische Perspektiven.

Diese frühe Phase lebt davon, dass alle Ideen erlaubt sind und die Frage der Umsetzbarkeit in unserem Ökosystem noch keine Rolle spielt. Theoretisch könnte es zu diesem Zeitpunkt des Prozesses sogar um eine Station zum Beamen oder kommerzielle Flüge zum Mars gehen, selbst wenn beides nicht mal in Ansätzen möglich ist. Es geht darum, was morgen relevant und möglich sein könnte. Denn freie Gedankenspiele können ungeahnte kreative Prozesse in Gang setzen und Innovation beginnt nun mal oft mit einem gedanklichen Umweg.

Tatsächlich sind die meisten Ideen auch in dieser Phase unseres Venture-Building-Prozesses deutlich zahmer, operativer und realistischer. Im vergangenen Jahr haben wir zum Beispiel über Investments in aufstrebende Sportler:innen, Influencer:innen, Gamer:innen etc. gesprochen, oder über ein Finanzprodukt, mit dem Bürgerinnen und Bürger regionale Projekte auf freiwilliger Basis mit Spenden unterstützen können.

Im nächsten Schritt formen wir dann aus den Ideen erste Hypothesen: In strukturierten Bewertungsrunden clustern und priorisieren wir die Ideen. Wir überlegen dabei: Wer könnte die Zielgruppe sein? Welches Problem adressieren wir? Welche Lösungen zeichnen sich ab? So trennen wir potenziell relevante Ansätze von Spielereien. Das Ziel ist, Ideen zu identifizieren, die strategisch relevant und marktfähig sind. Zum Beispiel haben wir aus dieser Findungsphase die grobe Idee „Blockchain für digitale Identitäten“ mit in die nächste Runde genommen – und dort entwickelte sich daraus langsam das, was heute als Lissi firmiert, ein Startup für eine Plattform für digitale Identitäten.

Prozess des Venture Buildings bei Neosfer. Ideen finden, Ideen testen und aus den Ideen echte Ventures machen

Phase 2: Ideen testen, ohne Illusionen

In der zweiten Phase wird es ernst: Im 100-Tage-Format prüfen wir mit verschiedenen Methoden, ob aus der Idee ein echtes Angebot werden kann, zum Beispiel durch

  • Marktvalidierung: Wir testen, ob es echte Nachfrage gibt, etwa durch Landing Pages, Umfragen, Pre-Sales oder Interviews mit möglichen Nutzer:innen.
  • Prototyping: Mit Mockups oder Klickdummies machen wir die Idee greifbar, um leichter Feedback einholen zu können.
  • Iterative Verbesserungen: Basierend auf den Erkenntnissen aus der Validierung wird die Idee kontinuierlich angepasst.
  • Technologische und juristische Validierung: Wir prüfen, ob und wie das geplante Produkt technisch umsetzbar ist und welche juristischen Voraussetzungen oder Herausforderungen zu beachten sind.

Wir definieren dabei klare KPIs wie zum Beispiel Zahlungsbereitschaft oder Nutzerinteresse, um zu erkennen, ob etwas weitergehen darf oder nicht. Ein Beispiel aus dieser Phase ist Wagebeam, eine Idee aus dem in Deutschland noch recht neuen Bereich von Earned Wage Access. Das Projekt hat das 100-Tage-Programm erfolgreich durchlaufen: Die Hypothesen wurden bestätigt, die Zielgruppe klar definiert und ein Kommunikationsplan erstellt inklusive Landing Page, auf der sich Interessent:innen registrieren können. Das Marktpotenzial hat sich hier als tragfähig erwiesen.

Nach dieser Phase gibt es im Kern drei mögliche Szenarien für jede Idee. Erstens: Wenn ein Projekt nicht überzeugen kann, wird es gestoppt, ohne weitere Ressourcen zu binden. Scheitern ist dabei kein Rückschlag, sondern Teil des Prozesses, dazu später mehr. Oder das Projekt wird weitergeführt, das kann dann zweitens die Weiterentwicklung zu einem eigenen Unternehmen sein, siehe nächste Phase, oder drittens eine Integration in unsere Muttergesellschaft, die Commerzbank, wenn ein Projekt erfolgreich validiert wurde und klare sinnvolle Anknüpfungspunkte zu deren Kerngeschäft hat.

Phase 3: Aus Ideen Ventures und Startups machen

Wenn jedoch eine der Ideen aus dem 100-Tage-Programm das Potenzial zum eigenständigen Geschäftsmodell und damit zu einer Ausgründung hat, folgt als nächstes die Übergabe an unser sogenanntes Go-to-Market Studio. Für Wagebeam zum Beispiel bereiten wir gerade den Übergang in diese Phase vor.

Im Go-to-Market-Studio wird das Projekt zur marktfähigen Lösung weiterentwickelt – mit Business Case, Markteinführungsstrategie und einem dezidierten Team, das sich voll auf die Umsetzung konzentriert. Die Ergebnisse der Validierung fließen in ein echtes MVP (Minimum Viable Product) und einen Sales-Funnel, um Kund:innen zu gewinnen und Umsätze zu generieren.

Unser noch recht junger Prozess umfasst mehrere Phasen, darunter die Vorbereitung, den Launch und die Skalierung der Go-to-Market-Strategie. Währenddessen werden KPIs wie Umsatz, Kundeninteresse und Marktakzeptanz kontinuierlich gemessen. Am Ende dieser Phase treffen wir auf Basis der Ergebnisse eine finale Entscheidung: Das Projekt wird entweder als eigenständiges Venture ausgegründet, weiter skaliert oder ggf. in die Commerzbank integriert.

Natürlich wird es ab diesem Punkt nicht plötzlich einfacher: Technologische Herausforderungen, Marktunsicherheiten, rechtliche Rahmenbedingungen und Compliance-Themen begleiten jedes Vorhaben. Ganz zu schweigen von strategischen Konflikten, die auftreten können: Venture Building ist eine mittel- bis langfristige Initiative, die oft mit kurzfristigen Unternehmenszielen kollidiert. Zudem können Konflikte mit strategischen Prioritäten auftreten oder es zeichnet sich ab, dass bestehende Strukturen das Projekt erschweren. Doch auch diese Unsicherheiten gehören untrennbar zum Prozess dazu.

Erfolg des Venture Builders ist mehr als ein fertiges Produkt

Bis hierhin sollte schon klar geworden sein, dass nur ein Bruchteil es in die dritte Phase schafft und noch weniger Projekte zu echten Unternehmungen werden. Doch so klischeehaft das auch klingt: Manchmal ist der Weg selbst das Ziel. Jede Phase des Venture Buildings liefert Erkenntnisse: über Marktbedürfnisse, technologische Möglichkeiten oder die Passung neuer Geschäftsmodelle. Gescheiterte Projekte zeigen uns stets, was nicht funktioniert, und sind damit eine wichtige Grundlage für zukünftige Erfolge. Das eigentliche Scheitern ist ohnehin ein zu langes Festhalten an nicht tragfähigen Produktideen, weil es unnötig Zeit und Ressourcen verbraucht.

Und nicht zuletzt geht es im Venture Building um Menschen: Menschen, die Ideen haben und diese gemeinsam mit anderen entwickeln. Mit jedem Projekt, ob gescheitert oder nicht, wächst unser Netzwerk aus Partner:innen, Kund:innen und Expert:innen. Und unsere Teams erwerben Fähigkeiten, die weit über das einzelne Projekt hinausreichen – von Prototyping über Nutzerforschung bis hin zu Business Development.

Wir können tagtäglich sehen, welchen positiven Impact diese Innovationskultur, die Experimentieren und Lernen über Perfektionismus stellt, auf die Mitarbeitenden hat. Sie inspiriert und stärkt den Unternehmergeist, wovon wieder das gesamte Unternehmen und jede neue Runde des Venture Building profitieren. Denn Innovation braucht nicht nur Strukturen, sondern auch diese unternehmerische, offene Grundhaltung aller am Prozess Beteiligten.

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