Banken spielen eine wichtige Rolle bei der Finanzierung der Maßnahmen, die nötig sind, um die Klimaneutralität bis 2050 zu erreichen. Dieses Ziel wurden im Rahmen des EU Green Deals definiert. Vor diesem Hintergrund gehört für uns als Venture Capital Investor der Commerzbank die energetische Wohngebäudesanierung aktuell zu einem der Top-Themen. Insbesondere, wenn darum geht, nachhaltig in Branchen mit viel Potential zu investieren. In diesem Beitrag teilen wir unseren Blick auf den Markt, unseren derzeitigen Fokus auf Investments und unser Ziel, als Venture Capital Investor nachhaltig zu investieren.
Nachhaltig investieren als Venture Capital Investor: Energetische Wohngebäudesanierung hat Potential
Energetische Gebäudesanierung bekommt regulatorischen Rückenwind
Im Rahmen des Europäischen Green Deals hat die EU wegweisende Schritte unternommen, um bis 2050 eine vollständige Dekarbonisierung der Wirtschaft zu erreichen. Deutschland hat sich mit der im Jahr 2021 beschlossenen Novellierung des Klimaschutzgesetzes noch ambitioniertere Ziele gesetzt und will bereits ab dem Jahr 2045 klimaneutral sein. Um dieses Ziel zu erreichen, bedarf es der Dekarbonisierung aller wesentlichen Bereiche der Wirtschaft und Gesellschaft – von der produzierenden und verarbeitenden Industrie, über den Mobilitätssektor, bis hin zum privaten Konsum.
Ein Bereich, der dabei besonders ins Auge fällt, ist der Gebäudesektor. Er erzeugt aktuell rund 30% aller CO2-Emissionen in Deutschland. Ein Großteil davon entfällt auf das Beheizen von Gebäuden. Die Gründe lassen sich bei genauerem Hinsehen schnell erkennen. Von den rund 19 Millionen Wohngebäuden in Deutschland wurden ca. 90% vor dem Jahr 2000 gebaut und seitdem nicht oder nur dürftig saniert. 74% des Wohngebäudebestands hat einen Endenergiebedarf von >100 kWh/m2/a und fällt damit unter die Energieeffizienzklassen D-H. Zum Vergleich: Unter aktuellen Energieeffizienzstandards gilt ein Endbedarf von <=50 kWh/m2/a (Energieeffizienzklasse von A+ oder A) als erstrebenswert. Diesen erreichen aktuell nur ca. 7% der Gebäude.
Vor dem Hintergrund ist es logische Konsequenz, dass der Fokus der Regulatorik und Politik auf der Dekarbonisierung des Gebäudesktors liegt. Konkret sollen die Emissionen in Gebäuden bis 2030 um 46% gegenüber dem Basisjahr 2020 gesenkt werden. Eine tragende Säule in diesem Vorhaben spielt das Gebäude Energiegesetz (GEG). Das Gesetz wurde initial 2020 verabschiedet und kürzlich novelliert, um mit den verschärften Zielen des Klimaschutzgesetzes gleichzuziehen. Das GEG beschäftigt sich mit den energetischen Anforderungen an Gebäude und strebt an, den Anteil erneuerbarer Energien bei der Beheizung von Gebäuden bis 2045 schrittweise zu steigern. So sollen ab 2024 neu verbaute Heizsysteme mit mind. 65% erneuerbarer Energie betrieben werden. Ab 2045 ist der Einbau neuer fossiler Heizungen (z. B. Öl- und Gasheizungen) gänzlich untersagt. Über die im GEG geregelten Elemente hinaus gibt es jedoch eine Vielzahl weiterer Möglichkeiten, die Energieeffizienz im Gebäude zu steigern, etwa durch Dämmung von Fassaden, Dach und Kellerdecken, oder den Einbau dreifach verglaster Fenster.
Die Rolle von Banken als Finanzierer der Dekarbonisierung
Für die Dekarbonisierung des Gebäudesektors bedarf es signifikanter Investitionen. Laut Hochrechnungen des Spitzenverbands der Wohnungswirtschaft (GdW) wird geschätzt, dass jährlich EUR 125 – 182 Mrd an Kapital in die energetische Gebäudesanierung fließen müssen. Zum Vergleich, 2022 wurden lediglich EUR 67 Mrd investiert. Finanzierer und Banken stellen somit eine tragende Säule in der Realisierung der Gebäudesanierung dar. Viele von ihnen werben bereits mit zinsvergünstigten Konditionen für Sanierungskredite. Darunter fallen Sanierungsmaßnahmen, die zu einer Endenergieeffizeinzklasse von A+ oder A (also einem Energiebedarf von <50 kWh/m2/a) der betreffenden Immobilien führen.
Über diese Sanierungskredite wollen Banken Investitionen in energieeffiziente Gebäude fördern. Das führt wiederum dazu, dass die finanzierten Treibhausgasemissionen im eigenen Kreditportfolio sinken. Das Kreditbuch vieler Banken besteht zu einem erheblichen Teil aus Baufinanzierungen. Das gilt auch für das Portfolio der Commerzbank. Durch die Bereitstellung von Krediten für Sanierungsmaßnahmen möchte die Bank die durch Baufinanzierungen finanzierten Emissionen bis 2030 um 57% im Vergleich zum Basisjahr 2021 reduzieren.
Energetische Gebäudesanierung aus Sicht eines Banken-Venture-Capital-Investors
Als Early-Stage-Venture-Capital-Investor der Commerzbank ist das Thema energetische Gebäudesanierung ein Schwerpunkt unserer aktuellen Investment-Hypothesen im ClimateTech Bereich. Im Folgenden teilen wir unseren Blick auf den Markt und geben eine Einordnung von Start-ups und Lösungen, die diesen Markt innovativ bespielen. So viel vorab – zu den vielversprechendsten Start-ups, die aktuell im Markt aktiv sind, zählen aus unserer Sicht die folgenden:
1. Energieberatung, die eine unabhängige Status-Quo-Analyse und Einschätzung vornehmen, welche Sanierungsmaßnahme für die jeweilige Immobilie am sinnvollsten ist
Startups in diesem Bereich ermitteln, welche Sanierungsmaßnahmen ökonomisch und ökologisch am sinnvollsten für das jeweilige Gebäude sind. Sie kümmern sich um die Beantragung von staatlichen Fördergeldern und helfen dem Gebäudebesitzer dabei, einen Handwerker für die Realisierung der Sanierungsmaßnahme, sowie ggf. eine geeignete Sanierungsfinanzierung, zu finden.
Es gibt einige Startups, die als Energieberater auftreten und vor allem auf Ein- und Zweifamilien-Häuser fokussiert sind. Dazu gehören Enter, die im April 2023 EUR 20m an externem Kapital eingesammelt haben, oder 42Watt, die im September ihre Seed Finanzierungsrunde veröffentlicht haben. Ähnliche Lösungen, die vor allem auf die Sanierungsplanung und Konzepterstellung von Mehrfamilienhäusern und Gewerbegebäuden abzielen, sind u.a. Predium, oder ecoworks. Letztere haben im Juli diesen Jahres EUR 22m eingesammelt.
2. Start-ups, die auf die Realisierung von Sanierungsmaßnahmen abzielen
Es handelt sich hier v. a. um Handwerker:innen und Installateur:innen, die emissionsarme Heiztechnologien und Technologien zur Gewinnung und Speicherung von Strom aus erneuerbaren Energien verbauen. Dazu gehören z.B. Wärmepumpen als grüne Heiztechnologie, sowie Solaranlagen und Batteriespeicher für die Produktion und Speicherung von grünem Strom.
Vertikal fokussierte Installateure spezialisieren sich auf den Verbau der Technologie. Im Bereich der Wärmepumpen ist das Startup Vamo aktiv, an deren EUR 3m Seed Finanzierungsrunde wir uns im September beteiligt haben. Anbieter im Bereich Solaranlagen sind Wegatech, Voltaro oder zolar aktiv.
Horizontal aufgestellte Installateure bieten mehrere Technologien aus einer Hand. Dazu gehört 1Komma5. Sie haben im Juni 2023 EUR 215m an Eigenkapital geraised und sind damit zum Unicorn aufgestiegen. Auch Enpal hat im gleichen Monat eine EUR 430m Debt Facility zur Refinanzierung ihrer Solaranlagen eingesammelt.
Das Konzept des Mieterstroms wird als dezentrale Energieversorgung von Mehrparteiengebäuden genutzt. Lokal erzeugter Strom, vor allem aus Sonnenenergie, wird an verschiedene Verbraucher vor Ort geliefert – für die Stromversorgung der Mieter genauso wie für den Betrieb weiterer Anlagentechnik, zum Beispiel von Wärmepumpen und Ladestationen für Elektroautos. In diesem Feld aktiv sind Solarize oder metergrid, die im September 2023 eine EUR 3m Seed Runde veröffentlicht haben.
3. Aktives Lastmanagement, das den Emissionsausstoß beim Verbrauch von Strom zum operativen Betrieb des Gebäudes zu optimieren
Unter dem Begriff Lastmanagement verstehen wir die aktive Steuerung der Stromnachfrage. Anbieter nehmen dynamische Ökostrom-Tarife in ihr Angebot auf, bei denen der Preis für den Strombezug an den aktuellen Einkaufspreis am Strommarkt gekoppelt ist. Ist der Anteil an Wind- und Solarenergie im Strommix gerade besonders hoch, sinkt der Strompreis und vice versa. In Kombination mit der Verwendung eines Smart-Meters kann die Nachfrage so gesteuert werden, dass der Strom zu einem Zeitpunkt verbraucht wird, wenn er möglichst grün und damit möglichst günstig ist. Das senkt Treibhausgasemissionen im operativen Betrieb des Gebäudes weiter. Startups, die diesen Bereich besetzen, sind z. B. Ostrom, die im September ein EUR 8m Top-Up auf ihre A-Runde erhalten haben, oder Rabot Charge, die im April diesen Jahres EUR 5m erhalten haben.
4. Tools, die die Effizienz von Handwerker:innen steigern, damit diese mehr Projekte stemmen können.
Der größte Bottleneck in der energetischen Gebäudesanierung besteht in der Verfügbarkeit qualifizierter Handwerker.innen und Installateur:innen, die die jeweiligen Technologien verbauen können. Um dieses Problem zumindest teilweise zu mitigieren, gibt es Software-Lösungen, die die administrative Vor- und Nacharbeit um die eigentliche Installation digitalisieren. Dieses Geschäftsmodell zielt darauf ab, die Arbeit der Handwerker effizienter zu gestalten. Dazu gehören z.B. Machbarkeits- und Wirtschaftlichkeitsanalysen einer Sanierung, die Dimensionierung einer Maßnahme inkl. Stücklisten, sowie das Nachhalten von Angeboten und das Erstellen von Rechnungen. So können sich Handwerker:innen auf die eigentliche Installation fokussieren und in gegebener Zeit und mit gegebener Personenstärke mehr Projekte realisieren. Hier fallen derzeit auf dem deutschen Markt z. B. reonic, Airteam, Hero, Plancraft oder Eturnity auf. Letztere haben erst kürzlich EUR 8m eingesammelt.
5. Handwerker:innenvermittlung und -ausbildung zur Mitigation des Fachkräftemangels
Der größte Hebel zur Mitigation des Handwerker:innenmangels liegt in der qualifizierten Ausbildung von Handwerker:innen und ihrer gezielten Vermittlung an Handwerksbetriebe. Zu nennen ist hier das Jobportal PowerUs, das erst im September 2023 EUR 24m im Rahmen einer Series B eingesammelt hat.
Venture-Capital entfaltet in nachhaltigen Start-ups sein Potential
Das Investment von VC-Investoren ist in den vergangenen Monaten signifikant abgekühlt. Laut Daten von Crunchbase ist die europäische Venture Funding Aktivität in Q2/2023 um 50% im Vergleich zum Vorjahreszeitraum eingebrochen – und das über alle Sektoren hinweg. Umso mehr zeigen die genannten Finanzierungsrunden, welches Potential im Bereich der Gebäudesanierung und in einer Beteiligung in diese Geschäftsmodelle grundsätzlich liegt.
Wir sind daher der festen Überzeugung, dass die energetische Sanierung des Gebäudebestandes eines der dominierenden Themen der Zukunft sein wird – auch, wenn es um nachhaltiges Investieren geht. Das liegt nicht nur an der Signifikanz des Problems, sondern auch am regulatorischen Rückenwind rund um das Thema Nachhaltigkeit. Wir erwarten zudem, dass sich in naher Zukunft weitere Geschäftsmodelle und -felder in diesem Markt entwickeln werden. Wer wissen möchte, in welche nachhaltigen Start-ups wir bisher investiert haben, kann hier einen Blick auf unser aktuelles Portfolio werfen. Ihr seid Gründer:innen, die sich hier wiederfinden und auf der Suche nach Investor:innen sind? Dann meldet euch hier.