24.09.2025 08:57 AM

Von Sourcing bis Exit: Der aktuelle VC Tech Stack bei neosfer

Vor fünf Jahren habe ich meinen ersten Artikel über unseren VC-Tech-Stack veröffentlicht: The VC’s IT Tool Stack (2019). Damals hieß neosfer noch Main Incubator, und ich war Analyst. Seitdem ist viel passiert: Ich war einige Jahre bei anderen VCs unterwegs, habe viel gesehen und gelernt. Seit Sommer 2025 bin ich zurück in der Company – nun in der Rolle als Investment Manager. Und der Artikel von damals ist hoffnungslos veraltet. Höchste Zeit also für ein Update: Welche Tools nutzen wir heute – und besonders als Corporate VC? Und wo geht die Reise hin?Teaserbild des VC Tech Stack von neosfer

neosfer: Innovationseinheit und CVC der Commerzbank

neosfer ist Frühphaseninvestor und Innovationseinheit der Commerzbank. Drei Teams arbeiten hier eng zusammen: Invest, Build und Connect. Invest verantwortet die Startup-Investments, Build entwickelt eigene MVPs und Prototypen, und Connect schafft die Verbindung zwischen Startups, Bank und Ökosystem.

Wir im Team Invest verfolgen neben Renditezielen auch strategische Ziele für die Bank. Weil wir nur einen einzigen LP – unsere Muttergesellschaft – haben, unterscheidet uns das von klassischen VCs und macht uns zu einem Corporate Venture Capitalist (CVC).

Kurz gesagt: Wir investieren in innovative Technologien und Geschäftsmodelle, die den Finanzsektor und die Bank zugleich transformieren. Als CVC gehen wir über reine Finanzinvestments hinaus – wir richten uns an der strategischen Roadmap der Commerzbank aus, binden Fachbereiche ein und übersetzen neue Technologien in den Konzernkontext. Damit wird neosfer nicht nur Kapitalgeber, sondern auch strategischer Partner für Startups und zugleich für die Bank Innovationsradar sowie Brücke zum Startup-Ökosystem.

Genau deshalb muss unser VC-Tech-Stack nicht nur den klassischen VC-Prozess abbilden, sondern auch CVC- und Innovationsthemen abdecken.

Der VC-Tech-Stack: Software als Basis für unsere Arbeit entlang von Research, Deal Sourcing, Management und Co. 

Der klassische VC-Prozess lässt sich in vier Phasen gliedern: Sourcing, Selection, Support und Selling – also die Phasen der Startup-Suche, der Auswahl von Investments, der Unterstützung der Portfoliounternehmen und schließlich des – hoffentlich – gewinnbringenden Verkaufs. Diese Phasen bilden das Modell der 4-S und dienen uns als Denkmodell und Orientierung bei unserer Arbeit – und darauf stützt sich auch unser VC-Tech-Stack.

Die vier Phasen, in denen unser VC Tech Stack stattfindet

Sourcing

Für das Scouting setzen wir auf eine Kombination aus drei zentralen Tools:

  • Startup Detector: Dieses Tool überwacht das deutsche Handelsregister und liefert wöchentliche Updates zu Neugründungen, Gründerteams und Finanzierungsrunden. Für uns ist es seit Jahren eine unverzichtbare Quelle, um junge Teams frühzeitig auf dem Radar zu haben.
  • Specter: Ein Research-Tool mit Fokus auf internationale Märkte und Stealth-Startups. Besonders wertvoll ist das Tagging-System und die LinkedIn-Integration, die uns Netzwerk- und Talentsignale in Echtzeit sichtbar macht.
  • Pitchbook: Unsere Datenbasis für Deals und Fundingvolumina. Mit Pitchbook behalten wir Trends in verschiedenen Verticals im Blick und können Entwicklungen systematisch verfolgen.

Unser Ziel: Möglichst früh Zugang zu Startups im allerersten Lebenszyklus zu bekommen – dort, wo Risiko und Chance am größten sind. Damit unterscheiden wir uns klar von spätphasigen Investoren, die stärker auf Watchlists und Wachstumssignale wie etwa steigende Mitarbeiterzahlen setzen.

Selection

In der Selektionsphase greifen wir auf dieselbe Tool-Basis zurück – aber in anderer Kombination:

  • Specter und Pitchbook nutzen wir zur Wettbewerbsanalyse, um Substitute und ergänzende Lösungen zu identifizieren, die oft in Startup-eigenen Analysen fehlen.
  • Mit Startup Detector validieren wir Cap Tables und Finanzierungsinformationen – eine wichtige Ergänzung, um Unternehmensbewertungen realistisch einschätzen zu können.

Ab der Selection-Phase verknüpfen wir externe Daten aus den Tools mit internen Informationen. Der Grund: Öffentliche Angaben basieren häufig auf Eigenangaben der Startups – hier ist also Vorsicht geboten. Interne Daten aus unserem Portfolio und unserem Netzwerk sind unverzichtbar, um externe Quellen zu prüfen und einzuordnen. Gerade in der Frühphase zählen informelle Signale oft mehr als jede Datenbank.

Konkrete Tools und ihre Verwendung in unserem VC Tech Stack

Support

Nach dem Investment geht es darum, unsere Portfoliounternehmen bestmöglich zu unterstützen.

  • Vestberry: Nutzen wir für Portfolio-Reporting. Damit erfassen und analysieren wir KPIs auf Unternehmens- und Portfolioebene strukturiert.
  • Langdock: Macht Wissen zu unseren Portfoliounternehmen ad hoc und per natürlicher Sprache verfügbar.
  • Attio: Unser KI-gestütztes CRM. Es integriert sich nahtlos in die Google-Suite, macht die Kommunikation effizienter und unterstützt uns beim Aufbau und bei der Pflege von Netzwerken – etwa mit M&A-Partnern oder Investoren.

Diese Tools sind kein Selbstzweck: Sie bilden in Sachen Portfolio Management die Schnittstelle zur Bank, stoßen Proof of Concepts (POCs) an und orchestrieren Kooperationen. Damit schaffen wir Mehrwert für Bank und Startups gleichermaßen.

Selling

In der Selling-Phase setzen wir keine speziellen neuen Tools ein – vielmehr nutzen wir unsere bestehenden Systeme gezielt anders:

  • Netzwerke: Persönliche Kontakte gewinnen jetzt erneut an Bedeutung. Unsere Tools helfen uns, Beziehungen systematisch zu pflegen und sichtbar zu machen.
  • Käuferlisten: Wir halten potenzielle Käufer – von M&A-Beratern bis hin zu Investoren – aktuell und bleiben mit ihnen im Austausch.
  • Sichtbarkeit: Ebenso entscheidend ist die Präsenz der Unternehmen in unserem Portfolio. Mit Monitoring- und Analyse-Tools erhöhen wir ihre Sichtbarkeit und Reichweite im Markt.

So legen wir die Grundlage, um Exits gezielt vorzubereiten und erfolgreich umzusetzen.

Beyond 4-S: Innovationsarbeit bei neosfer

Neben den klassischen Aktivitäten entlang der 4-S gehört es zu unseren Aufgaben als CVC, kontinuierlich Trends zu analysieren und aufzubereiten – sowohl für die Bank als auch für unsere VC-Aktivitäten. Dafür setzen wir auf Itonics, ein Innovation Operating System.

Mit Itonics identifizieren und bewerten wir sogenannte Opportunity Spaces und beobachten technologische Entwicklungen systematisch. Wir erstellen Trendradare zu Themen wie Künstlicher Intelligenz oder Stablecoins, die der gesamten Organisation zur Verfügung stehen. Insight-Feeds sorgen dafür, dass wir kontinuierlich Updates bekommen und Entwicklungen im Blick behalten.

Screenshot aus dem Tool Itonics, das in unserem VC Tech Stack ist

Wichtig ist uns dabei die Kombination: Datenbasierte Analysen sind das Fundament, aber Trends verlaufen selten linear. Oft sind sie zyklisch oder spiralförmig. Deshalb ergänzen wir die Daten immer durch menschliche Einschätzung und den engen Austausch mit dem Innovationsmanagement der Bank. So stellen wir sicher, dass unsere Investitionshypothesen zur strategischen Roadmap und zum Business passen – und wir flexibel reagieren können, ob proaktiv bei neuen Themen oder ad hoc auf Anfragen.

Wie VCs miteinander arbeiten – und gegeneinander

Als VC bewegen wir uns in einem Markt voller Frenemies – in einem Deal noch Partner, im nächsten schon wieder Wettbewerber. Gute Deals sind knapp, und VCs konkurrieren um wenige hochwertige Gelegenheiten. Gleichzeitig sind Finanzierungsrunden fast immer Teamsport: Mehrere VCs investieren gemeinsam.

Der Markt ist damit von Co-opetition geprägt. Tools wie die unseren schaffen dabei ein Level-Playing-Field: Wer ihre Funktionen klug einsetzt, bleibt wettbewerbsfähig – wer sie ignoriert, riskiert sofortige Nachteile.

Diese Tools bilden unsere Foundation. Ohne sie wäre Venture Capital heute im Blindflug. Aber sie sind nur die Basis. Die eigentliche Differenzierung entsteht, wenn wir externe Daten intern weiterverarbeiten, mit eigenen Insights anreichern und dann verwenden.

Für unsere Portfoliounternehmen bieten wir eine einzigartige Kombination aus Kapital, Zugang zum Commerzbank-Netzwerk und unserer Innovationskompetenz. Das bildet den USP von neosfer im Markt für Frühphasenfinanzierungen.

Warum persönliche Netzwerke im VC entscheidend bleiben

Trotz aller Tools bleibt Venture Capital vor allem ein People-Business. Gerade in der Frühphase sind die Signale aus den genannten Tools mit Vorsicht zu betrachten. Die Daten stammen mehr oder weniger von den Startups selbst. Das ist nachvollziehbar: In dieser frühen Unternehmensphase gibt es kaum belastbare Vergangenheitswerte, fast alles ist zukunftsgerichtet. Umso wichtiger ist die menschliche Komponente: Wir müssen die Signale aus Tools, Pitchdecks und Gesprächen kritisch hinterfragen und für uns einwerten.

Gleichzeitig hat sich Netzwerken in den letzten fünf Jahren seit meinem ersten Artikel massiv verändert: Heute findet es viel stärker digital statt. Dadurch wird sichtbar, wer sich neu getroffen oder verlinkt hat. Von außen mag das wie reiner Gossip wirken – tatsächlich ist es aber ein wesentlicher Teil unserer Arbeit.

Unser Fazit: Tools liefern Daten, Netzwerke schaffen Vertrauen. Erst beides zusammen entscheidet.

Von externen Tools zu internen Mehrwerten durch Integration

Externe Tools sind für uns die Basis – aber entscheidend ist, wie wir sie einsetzen und mit ihren Ergebnissen weiterarbeiten. Genau hier entsteht die Differenzierung, die uns von anderen Investoren abhebt.

Wir kombinieren externe Daten mit unseren eigenen Informationen aus dem Portfolio und lassen sie in Trendradare und Insight-Feeds einfließen. Diese fließen wiederum in unsere Sourcing- und Selection-Prozesse zurück. So entsteht ein Kreislauf, in dem Daten und Einschätzungen ineinandergreifen. Eine besondere Rolle spielt dabei KI, die gerade bei unstrukturierten Informationen ihre Stärke zeigt – genau jene Signale, die im Venture-Geschäft oft entscheidend sind.

Darüber hinaus entwickeln wir eigene Lösungen. Neben No- und Low-Code-Ansätzen setzen wir zunehmend auch auf Vibe Coding. Mein Kollege Robin Rehbein hat dazu kürzlich einen spannenden Beitrag veröffentlicht: Vibe Coding bei neosfer.

So schaffen wir Freiräume, die weit über die reine Tool-Nutzung hinausgehen – und verwandeln Daten, Netzwerke und Technologie in echten Mehrwert für alle Beteiligten.

Vom Status quo in die Zukunft

KI wird unser Geschäft verändern – und das in allen Phasen, von Sourcing bis Selling. Sie macht Prozesse schneller, Daten transparenter und Informationen leichter zugänglich. Doch Daten sind nur der Anfang. Entscheidend bleibt, wie wir sie lesen, kombinieren und mit unserem Netzwerk verknüpfen.

Damit zeigt sich klar: Tools bilden die Basis, aber Differenzierung entsteht erst durch kluge Nutzung, interne Workflows und persönliche Netzwerke. Genau das bleibt auch im KI-Zeitalter unser Erfolgsfaktor.

Am Ende geht es nicht um Tools allein, sondern darum, dass wir mehr Raum für das Wesentliche schaffen: Sourcing, Selection, Support und Selling.

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