Es erscheint auf den ersten Blick einleuchtend: Wenn Unternehmen in wirtschaftlichen Engpässen stecken, fokussieren sie sich oft auf kurzfristige Effizienz statt auf langfristige Orientierung und Innovationsmanagement. In der angespannten Wirtschaftslage der letzten Jahre gehen Unternehmen zunehmend diesen Weg und riskieren, sich damit langfristig selbst zu schaden. Wir teilen unseren Blick auf (Corporate) Innovation im Jahr 2024.
State of Corporate Innovation: Über die Bedeutsamkeit von Innovationsmanagement in herausfordernden Zeiten
Thema Innovationsmanagement: Aktuelle Herausforderungen und Unsicherheiten
Der Herbst war ein Auf und Ab für die Startup-Szene in Deutschland und alle, die im Innovationsmanagement tätig sind: Im September hatte die damals noch intakte Bundesregierung die WIN-Initiative angekündigt. Ein umfangreiches Maßnahmenpaket sollte die Rahmenbedingungen für Wachstums- und Innovationskapital in Deutschland systematisch verbessern. Die Bedeutung der Förderung von Innovationskraft und Innovationsfähigkeit im Land und der EU wurde ausdrücklich hervorgehoben. Doch das Ende der Ampel-Koalition verpasste diesen Plänen nun bereits den ersten Dämpfer. Nur wenige Wochen später berichtete das „Handelsblatt“, dass hierzulande immer weniger Investoren aktiv seien – allein in diesem Jahr sei die Anzahl um fast 40 Prozent zurückgegangen.
Die daraus erkennbare, eher pessimistische Stimmung rund um Investitionen in Innovation und Innovationsvorhaben passt auch zu Prognosen aus dem Jahr 2023: Bereits in der Vorschau auf das neue Jahr gaben einige Unternehmen an, ihr Innovationsbudget kürzen zu wollen. Das scheint sich nun zu bestätigen. Zeit, wieder einmal über die Bedeutung von Innovation und Ideenmanagement zu sprechen – auch in wirtschaftlich unsicheren Zeiten. Oder vielleicht gerade aufgrund unsicherer Zeiten.
Der wachsende Werkzeugkasten des Innovationsmanagements
Aber was bedeutet eigentlich Corporate Innovation? Strategisches Innovationsmanagement oder Corporate Innovation ist der Prozess, bei dem vorhandene Ressourcen, Fähigkeiten und Infrastrukturen eines Unternehmens genutzt werden, um neue Geschäftsmöglichkeiten, Produkte oder Dienstleistungen zu erkunden und zu erschließen (Exploration) sowie bestehende Prozesse, Produkte oder Geschäftsmodelle zu optimieren und neu zu gestalten (Optimierung). Das umfasst sowohl die Durchführung neuer Aktivitäten als auch die Veränderung bestehender Prozesse, um den Innovationsgrad zu erhöhen und den Unternehmenswert zu steigern.
Die Bedeutung von Innovation ist allgemein bekannt und hat dazu geführt, dass Unternehmen über die vergangenen Jahrzehnte viele verschiedene Wege gesucht haben, um innovativer zu werden und ihre Innovationskultur zu stärken. Sie nutzen dabei zunehmend auch Innovationsimpulse, die außerhalb der eigenen Unternehmensgrenzen zu finden sind, Stichwort: Open Innovation. Es scheint, dass fast jedes Jahr neue Open-Innovation-Ansätze entstehen, welche die „Incumbents“ – die großen etablierten Akteure – auf ihrem Weg zu neuen Produkten, Angeboten, Technologie usw. unterstützen und sie im besten Fall vor Disruption schützen sollen.
Wir bei neosfer sind strategisch auf Exploration ausgerichtet und nutzen aus der Open-Innovation-Toolbox unter anderem das Instrument der Corporate Venture Capital Investments. Wir investieren in Frühphasen-Startups, holen so Innovationsimpulse von außen und machen sie für unseren Mutterkonzern, die Commerzbank, zugänglich. Darüber hinaus sind wir auch eine Ideenschmiede und entwickeln selbst innovative Konzepte, die wir dem Konzern zur Verfügung stellen und vermarkten können.
Externe Hürden für den Innovationsprozess: Geopolitik und technologische Herausforderungen
Eine große Chance – aber auch Herausforderung – für Innovationsarbeit und Produktinnovation sind rasante technologische Entwicklungen, wie wir sie vor allem in den letzten Jahren erlebt haben. Einige Unternehmen scheinen zu hoffen, dass Künstliche Intelligenz (KI) all ihre Innovationsprobleme lösen kann. Das ist natürlich illusorisch, insbesondere da viele große Unternehmen hierzulande noch mit ihrer digitalen Transformation befasst sind. Der resultierende Erwartungsdruck an Startups und Innovationsabteilungen ist dadurch immens.
Dazu kommt, dass auch an uns im Innovationsmanagement die Weltlage selbstverständlich nicht vorübergeht. In Europa herrscht generelle Anspannung, ausgelöst durch die geopolitischen Spannungen und die Rezession nach dem russischen Angriffskrieg auf die Ukraine. Wir erleben eine grundsätzliche Fragmentierung der politischen Landschaft sowie der Gesellschaft und kämpfen mit den globalen Herausforderungen des Klimawandels.
All das hat immer auch unmittelbare Auswirkungen auf das Handeln von Unternehmen und ihre Investitionsaktivitäten – und damit auch auf ihr Innovationsmanagement.
Interne Stolpersteine: Budgetkürzungen und veränderte Erwartungen
Wie bereits erwähnt, konnten wir dieses Jahr feststellen, dass vielerorts die Budgets für Innovation knapper bemessen wurden. Die Daseinsberechtigung von Innovations-Tools, die keinen direkten, messbaren Impact aufweisen können, werden folglich mehr denn je in Frage gestellt.
Hinzu kommt, dass wir in den vergangenen Jahrzehnten einen stetigen Anstieg der verfügbaren Open-Innovation-Tools erlebt haben. Viele große Unternehmen kommen gut damit zurecht, eines oder mehrere dieser Tools zu integrieren und zielgerichtet einzusetzen. Die Vielzahl der Optionen kann allerdings durchaus zu Überforderung führen oder dazu, deren Zweck grundsätzlich in Frage zu stellen und die Aktivitäten in der Folge zu reduzieren.
Ein strategischer Blick auf die Sinnhaftigkeit und Relevanz des Einsatzes von offenen Innovationstools ist vollkommen legitim und grundsätzlich notwendig. Wichtig ist aber, zu verstehen, dass im Innovationsmanagement mit anderen Maßstäben und Erwartungen vorgegangen werden sollte, als im Kerngeschäft. Denn: Innovation ist ein langfristig orientiertes Investment, das nicht mit den kurzfristigen Ergebnissen des Kerngeschäfts aufwarten kann (und soll).
Trotzdem bleibt es ein bekanntes Muster, dass Corporate Innovation in wirtschaftlich schwierigen Phasen oder in volatilen globalen Situationen, wie wir sie derzeit erleben, für viele in den Hintergrund tritt. Dabei ist es für Unternehmen gerade dann wichtig, sich weiterzuentwickeln.
Strategien und Lösungsansätze für nachhaltige Innovation
Sehen wir uns die Situation des Innovationsmanagement 2024 an, bestehen verschiedene Möglichkeiten für Innovationsabteilungen und -einheiten, auf die veränderten Ansätze und Erwartungen zu reagieren: Eine Option besteht darin, etwas risikoärmere Strategien für Investitionen in Innovation zu nutzen, zum Beispiel LP-Investments. Damit sind Limited Partners gemeint, also Investoren, die ihr Kapital Fonds zur Verfügung stellen, die wiederum in Startups investieren. Dieser Ansatz konnte 2024 vermehrt bei CVCs beobachtet werden, die über solche Investments ihr Risiko streuen. Nach dem Motto: lieber strategisch in einen breiten Technologiebereich oder einen Vertical investieren, als in einzelne Startups.
Risikominimierung ist auch mit einem weiteren Tool möglich, das zunehmend an Bedeutung gewinnt, dem Venture Clienting. Hier werden Corporates Kunden von Startups und erhalten so Zugang zu deren innovativen Lösungen. Unternehmen bekommen so auch ohne ein direktes Investment in das Startup Zugang zu Lösungen für ihre identifizierten Bedarfe oder Probleme. In der jüngeren Vergangenheit haben sich Unternehmen zunehmend dazu entschieden, ihre Open-Innovation-Aktivitäten mit einer Venture Clienting Unit zu erweitern oder diese Variante als Einstieg in die Welt der Startup-Kollaboration zu wählen.
Gerade unter den aktuellen Marktbedingungen ist Venture Clienting eine sinnvolle Lösung und es ist nachvollziehbar, dass dieses Tool immer mehr Zuspruch erfährt. Jedoch sollten Innovationsverantwortliche mitbedenken, dass auch die initiale Entwicklung von Lösungen finanziert und unterstützt werden muss. Corporate Venture Capital für Startups in frühen Phasen spielt eine relevante Rolle in der Entwicklung der Startup-Landschaft im Allgemeinen. Schließlich können Corporates nur dann Venture Clienting betreiben, wenn Lösungen ausreichend entwickelt sind, um “Incumbents” als Kunden bedienen zu können.
Eine weitere Möglichkeit, Innovationsarbeit in schwierigen Zeiten zu streamlinen, besteht darin, sich den Strategien und Zielen der Muttergesellschaft oder des Auftraggebers anzunähern. Auch hier geht es darum, den eigenen Mehrwert jenseits harter KPIs nachzuweisen und zu verstehen, wie man sich am besten positioniert, um einen größeren Beitrag zu den Unternehmenszielen zu leisten.
Wenn man in der richtigen Position ist, bedeutet dieses strategische Alignment auch, dem Unternehmen zu helfen, zu verstehen, was Innovation bedeutet und dass es dafür Freiraum, Flexibilität und eine langfristige Sichtweise statt kurzfristiger Metriken braucht. Ich bin davon überzeugt, dass gutes Innovationsmanagement einen kontinuierlichen Dialog benötigt. Nur so kann man herausfinden, welches Tool zu den strategischen Ambitionen und Zielen eines Unternehmens passt, denn nicht jede Maßnahme ist für jedes Unternehmen geeignet. Ohne konstruktive Gespräche kann es passieren, dass die Erwartungen zu weit auseinandergehen und am Ende beide Seiten verlieren.
Fazit: Innovation Management als Schlüssel für die Zukunftssicherung
Grundsätzlich sollten sich Entscheider:innen sowohl auf Konzern- als auch auf volkswirtschaftlicher Ebene darüber bewusst sein: Wer in der jetzigen Phase weniger Geld und/oder Aufmerksamkeit in Innovation investiert, erhöht langfristig das Risiko, Marktanteile zu verlieren und von jüngeren, innovativeren Playern abgehängt zu werden. Dass dies bereits jetzt geschieht, hat auch damit zu tun, dass viele Unternehmen eher kurzfristig planen, transformierende Innovationen aber einen Blick auf mindestens fünf bis zehn Jahre in die Zukunft erfordern.
Wir bei neosfer sind fest davon überzeugt, dass auch der Financial-Services-Sektor sich wandeln muss und wir weiter in Richtung Digitalisierung und Nachhaltigkeit vorangehen müssen. Ob durch die Nutzung zahlreicher strategischer Innovationstools oder den gezielten Einsatz einiger weniger – Innovativ zu bleiben, ist der Schlüssel für langfristigen Anschluss, Erfolg und kontinuierliche Verbesserung.
Tipps für ergänzende Weblinks
Für noch mehr Gedanken zum Einsatz strategischer Innovationstools empfehle ich diese Profile: