02.05.2023 06:45 PM

Durch den Kohlenstoff-Dschungel navigieren: Die Welt der CO2-Zertifikate

Durch den Kohlenstoff-Dschungel navigieren: Die Welt der CO₂-Zertifikate

Willkommen im CO₂-Dschungel! Der Klimawandel beherrscht weiterhin die Schlagzeilen und verändert unsere Welt. Infolgedessen hat sich Sustainable Finance als entscheidendes Instrument im Kampf gegen die globale Erwärmung etabliert. Indem Umwelt-, Sozial- und Governance-Faktoren (ESG) in finanzielle Entscheidungen einbezogen werden, können Unternehmen sowie Investor:innen einen positiven Wandel vorantreiben und zu einer nachhaltigeren Zukunft beitragen.

Hier kommen CO₂-Zertifizierungen ins Spiel, ein weiteres Werkzeug aus der Toolbox von Sustainable Finance. Die Zertifizierungen spielen eine entscheidende Rolle im Kampf gegen den Klimawandel: Sie unterstützen Unternehmen und Investor:innen dabei, ihre CO₂-Emissionen zu messen, zu managen und auszugleichen.

Die Basics zum Emissionshandel (ETS)

Das Thema CO₂-Zertifizierungen begann mit der Einführung des Emissionshandelssystems in der EU. Ein Emissionshandelssystem (ETS), auch bekannt als „Cap and Trade“, ist ein marktbasiertes politisches Instrument zur Reduzierung von Treibhausgasemissionen. Im ETS legt die Regulierungsbehörde eine Obergrenze für die Gesamtemissionen in einem bestimmten Zeitraum fest und gibt dann eine begrenzte Anzahl von Emissionszertifikaten oder Berechtigungen heraus, die dieser Obergrenze entsprechen.

Wenn ein Unternehmen weniger als die ihm zugeteilte Anzahl an Zertifikaten emittiert, kann es seine überschüssigen Zertifikate an andere Unternehmen verkaufen, die sie benötigen. Das ETS ist für Unternehmen relevant, die in der Europäischen Union tätig sind und in bestimmten energieintensiven Sektoren arbeiten. Dazu gehören beispielsweise die Stromerzeugung, die Ölraffinerie, die Stahlproduktion, die Zementherstellung, die Glas- und Keramikindustrie sowie die Chemieindustrie. Unternehmen, die in diesen Sektoren tätig sind, müssen am EU ETS teilnehmen, unabhängig von ihrer Größe. Unternehmen, die Anlagen betreiben, die weniger als 25.000 Tonnen CO₂-Äquivalent pro Jahr emittieren und eine Nennwärmeleistung von weniger als 35 Megawatt haben, können von vereinfachten Verpflichtungen profitieren. In einigen Fällen können sehr kleine Emittenten, die weniger als 2.500 Tonnen CO₂ pro Jahr emittieren, von der Teilnahme am EU ETS befreit werden, wenn sie sich verpflichten, alternative Emissionsminderungsmaßnahmen durchzuführen.

So schafft das ETS einen wirtschaftlichen Anreiz für Unternehmen, ihre Emissionen zu reduzieren, da sie von dem Verkauf ungenutzter Zertifikate profitieren können. Umgekehrt muss ein Unternehmen, das mehr als die ihm zugeteilte Anzahl an Zertifikaten emittiert, zusätzliche Zertifikate auf dem Markt erwerben oder finanzielle Strafen in Kauf nehmen.

Die von der Regulierungsbehörde ausgegebenen Zertifikate bestimmen die Gesamtemissionen, die innerhalb eines bestimmten Zeitraums erlaubt sind. Im Laufe der Zeit kann die Regulierungsbehörde die Obergrenze senken und die Anzahl der verfügbaren Zertifikate reduzieren, um weitere Emissionsreduktionen zu fördern und nachhaltige Innovationen zu beschleunigen.

Die Zertifikate werden entweder über Auktionen oder bisher kostenfrei auf der Grundlage historischer Standards verteilt. Unternehmen können die Zertifikate handeln, ihr Wert wird durch Angebot und Nachfrage bestimmt. Die Entscheidung eines Unternehmens, Zertifikate zu kaufen oder zu verkaufen, wird durch die Kosten beeinflusst, die mit der Reduzierung von Emissionen verbunden sind. Wenn die Emissionsreduktion kostengünstiger ist als der Kauf von Zertifikaten, wird das Unternehmen dies durchführen und überschüssige Zertifikate zum aktuellen Marktpreis handeln.

In Emissionshandelssystemen ist die Verfügbarkeit von Zertifikaten festgelegt. Dadurch werden Angebot und Nachfrage durch Preisanpassungen ausgeglichen. Wenn die Kosten für die Reduzierung von Emissionen höher sind als erwartet, kann der Preis für Zertifikate steigen, was zu höheren Kosten für Unternehmen und Verbraucher:innen führt. Umgekehrt werden die Preise sinken, wenn die Nachfrage nach Zertifikaten geringer ist.

Wenn Unternehmen und Einzelpersonen glauben, dass die Preise für Zertifikate über einen längeren Zeitraum hinweg niedrig bleiben, sind sie möglicherweise weniger geneigt, in innovative Technologien zu investieren. Im Umkehrschluss kann das in Zukunft zu höheren Kosten für die Emissionsminderung führen. Außerdem bedeutet die Emissionsobergrenze, dass zusätzliche politische Maßnahmen oder freiwillige Aktionen, wie die Umsetzung von Energiesparmaßnahmen, keine direkten Auswirkungen auf die Umwelt haben. Stattdessen werden sie die Emissionen lediglich an andere Orte oder zu anderen Zeiten verlagern, da die Gesamtzahl der Zertifikate, zumindest über eine bestimmte Zeitspanne, konstant bleibt. Die Bepreisung von CO₂ wird also nicht ausreichen, um den Übergang zu einer kohlenstoffarmen Wirtschaft voranzutreiben!

Was genau sind CO₂-Zertifizierungen?

Da das ETS offensichtlich fehlerhaft ist – hier sind weitere Nachteile nachlesbar – haben in den letzten Jahren Alternativen an Beliebtheit gewonnen. Tausende Unternehmen weltweit konnten dank CO₂-Zertifikaten große und kleine Klima-Erfolge verzeichnen. Die Walt Disney Company hat zum Beispiel triumphierend verkündet, dass sie ihre Emissionen seit 2012 halbiert hat. Gucci hat angekündigt, dass seine Aktivitäten vollständig klimaneutral sind, ebenso wie McKinsey, Netflix und Zalando. Aber wie funktioniert das eigentlich, und welche Vorteile bieten diese Zertifizierungen?

CO₂-Zertifikate, auch bekannt als CO₂-Ausgleichszertifikate, sind Instrumente, die darauf abzielen, die Verringerung oder Beseitigung einer bestimmten Menge von Treibhausgasemissionen, typischerweise gemessen in Tonnen CO₂-Äquivalent, zu symbolisieren. Wenn Organisationen, Projekte oder Produkte nachgewiesene Reduzierungen oder Beseitigungen ihrer CO₂-Emissionen erreichen, werden diese Zertifikate gewährt. Unternehmen können die Zertifikate nutzen, um zu zeigen, dass sie ihre CO₂-Auswirkungen reduzieren und sich im Kampf gegen den Klimawandel engagieren.

Klingt das zu gut, um wahr zu sein? Die Antwort ist nicht so einfach. Es gibt gute Argumente für die Nutzung von CO₂-Zertifizierungen. Dennoch möchten wir die möglichen Nachteile und das damit verbundene Reputationsrisiko, wenn man sich auf die falschen Zertifizierungen verlässt, nicht vernachlässigen. Genau deshalb haben wir die Risikofaktoren analysiert und präsentieren sie im vierten Abschnitt des Artikels. Wenn du diese Faktoren im Hinterkopf behältst und dich vom EU Carbon Removal Certification Framework (CRCF) leiten lässt, wird dir das bei der Auswahl der richtigen CO-Zertifizierungen auf jeden Fall helfen.

EU Carbon Removal Certification Framework (CRCF)

Wie wir gerade erwähnt haben, ist der Prozess zur Erstellung glaubwürdiger CO₂-Zertifizierungen stark von Regulierungsbehörden abhängig. Jetzt wollen wir tiefer in das EU Carbon Removal Certification Framework (CRCF) eintauchen. Das CRCF, das von der Europäischen Kommission erstellt wurde, ist ein umfassendes System, das darauf abzielt, transparente, robuste und wissenschaftsbasierte Zertifizierung für CO₂-Reduktionslösungen innerhalb der Europäischen Union bereitzustellen.

Das CRCF soll Investitionen in CO₂-Reduktionsprojekte fördern, innovative CO₂-Entfernungstechnologien unterstützen und dazu beitragen, dass bis 2050 in der EU Klimaneutralität erreicht wird. Der Rahmen umfasst eine Vielzahl von CO₂-Reduktionsmethoden, einschließlich Aufforstung, Wiederaufforstung, Kohlenstoffbindung im Boden, Bioenergie mit CO₂-Abscheidung und -Speicherung (BECCS) und Direktabscheidung aus der Luft mit Speicherung. In späteren Abschnitten dieses Artikels werden wir die verschiedenen derzeit verwendeten CO₂-Entfernungsmethoden genauer betrachten. Lass uns kurz auf die vorgeschlagene Regelung selbst eingehen. Was genau sind die von der EU vorgeschlagenen Schritte?

  1. Antragstellung: Die Organisation der CO₂-Reduktionsaktivität reicht einen Antrag auf Zertifizierung bei einer Zertifizierungsstelle ein. Dieser Antrag sollte alle relevanten Informationen zur Aktivität enthalten.
  2. Detaillierte Aktivitätsbeschreibung und verwendete Methodik: Die Organisation liefert eine umfassende Beschreibung der CO₂-Reduktionsaktivität und der angewendeten Zertifizierungsmethode. Dazu gehören Angaben darüber, wie CO₂-Entfernungen gemessen, überwacht und verifiziert werden.
  3. Erwartete CO₂-Reduktionen und Netto-CO₂-Reduktions-Vorteil: Betreiber:innen erfassen die erwarteten CO₂-Reduktionen und den Netto-CO₂-Reduktions-Vorteil. Diese Daten helfen zu ermitteln, ob die vorgeschlagene Aktivität die Mindestanforderungen für EU-zertifizierte CO₂-Entfernungen erfüllt.
  4. Zertifizierungsaudit: Unterstützt von der Organisation führt die Zertifizierungsstelle in der Anfangsphase ein Zertifizierungsaudit durch, um die bereitgestellten Informationen zu überprüfen und die Einhaltung der Qualitätskriterien der Verordnung zu gewährleisten.
  5. Beratungsdienste für kleinere Organisationen: Wenn eine Gruppe von Organisationen den Antrag einreicht, sollte sie angeben, wie die Beratungsdienste in Anspruch genommen werden, insbesondere für kleine Betreiber:innen von Kohlenstoffanlagen. So wird sichergestellt, dass alle Betreiber:innen die notwendige Unterstützung erhalten.
  6. Zertifizierungsentscheidung: Nach Prüfung der Auditergebnisse entscheidet die Zertifizierungsstelle, ob sie ein Zertifikat für den EU-zertifizierten Emissionsabbau erteilt. Wenn es genehmigt wird, bestätigt dieses Zertifikat, dass alle relevanten Anforderungen erfüllt wurden.

Der Vorschlag legt auch die Anforderungen für die Überprüfung und Zertifizierung des Emissionsabbaus durch Dritte fest, um den Zertifizierungsprozess zu harmonisieren und die Umweltintegrität zu gewährleisten. Ziel ist es, eine qualitativ hochwertige Zertifizierung mit den folgenden Merkmalen zu schaffen, die in der Grafik unten zu sehen sind.

Der Impact von CO₂-Zertifikaten

In diesem Abschnitt gehen wir auf drei Unterthemen ein, die die positiven Auswirkungen von CO₂-Zertifizierungen aufzeigen: (1) die Förderung des Übergangs zu einer kohlenstoffarmen Wirtschaft, (2) die Förderung nachhaltiger Geschäftspraktiken und (3) die Verbesserung der Rechenschaftspflicht sowie Transparenz bei der Emissionsberichterstattung.

Nachhaltige Geschäftspraktiken fördern

CO₂-Zertifikate motivieren Unternehmen, nachhaltige Praktiken in ihren Betrieb zu integrieren. Indem sie diese Zertifikate erwerben, können Unternehmen ihr Commitment zur Reduzierung ihrer CO₂-Bilanz und zur Erreichung von Umweltzielen demonstrieren. Dies stärkt nicht nur den eigenen Ruf und das Markenimage, sondern hilft zudem dabei, umweltbewusste Kund:innen und Investor:innen anzuziehen.

Darüber hinaus bieten CO₂-Zertifikate Unternehmen eine Struktur, um ihre Emissionsreduktionen zu bewerten, zu dokumentieren und zu verifizieren. Dies ermutigt sie, ihre Umweltleistung kontinuierlich zu verbessern und führende Praktiken im CO₂-Management zu übernehmen. Folglich sind Unternehmen mit CO₂-Zertifikaten besser gerüstet, um sich an strengere Emissionsvorschriften anzupassen, klimabezogene Risiken zu bewältigen und Chancen im wachsenden Markt für emissionsarme Produkte und Dienstleistungen zu nutzen.

Ein genauerer Blick auf die Techniken zur CO₂-Entfernung

Wir haben darüber gesprochen, was CO₂-Zertifikate sind und wie sie erstellt und reguliert werden. Außerdem haben wir bereits die positiven Auswirkungen dieser Zertifikate betrachtet. Aber was genau steckt hinter diesen Zertifikaten? Wie werden CO₂-Emissionen eliminiert? Schauen wir uns das an.

Die Risiken von CO₂-Zertifikaten

Obwohl CO₂-Zertifizierungen viele Vorteile haben und positive Veränderungen bewirken können, ist es wichtig, die potenziellen Risiken und Herausforderungen zu erkennen, die mit ihnen verbunden sind.

Unsere Zusammenfassung über CO₂-Zertifizierungen

CO₂-Zertifikate repräsentieren die Reduzierung oder Entfernung einer bestimmten Menge an Treibhausgasemissionen und ermöglichen es Unternehmen, ihr Engagement für die Reduzierung ihres CO₂-Fußabdrucks zu demonstrieren. Die Entwicklung und Regulierung von CO₂-Zertifikaten involviert unabhängige Zertifizierungsstellen, Regierungen und internationale Organisationen. Im Zusammenhang mit der Regulierung zielt der von der Europäischen Kommission vorgeschlagene CRCF darauf ab, ein harmonisiertes Zertifizierungssystem für Zertifikate in der EU zu schaffen.

Verschiedene CO₂-Entnahmemethoden umfassen Neuanlegungen von Wäldern, Wiederaufforstung, Kohlenstoffspeicherung im Boden, Bioenergie mit CO₂-Abscheidung und -Speicherung (BECCS) sowie Direktabscheidung aus der Luft mit Speicherung (DACS). Diese CO₂-Entnahmemethoden und die daraus resultierenden Zertifikate fördern den Übergang zu einer CO₂-armen Wirtschaft, unterstützen nachhaltige Geschäftspraktiken und verbessern Rechenschaftspflicht und Transparenz bei der Emissionsberichterstattung.

Im nächsten Artikel werden wir uns auf die allgemeinen Herausforderungen, politischen Aspekte und Marktteilnehmer konzentrieren, insbesondere im Hinblick auf die Problematik der doppelten Bilanzierung von CO₂-Credits im Zusammenhang mit dem Pariser Abkommen. Da es derzeit keine einheitlichen Regelungen gibt und vieles in einer Grauzone liegt, werden wir die Notwendigkeit öffentlicher und staatlich regulierter Frameworks diskutieren, um effektive Lösungen zu gewährleisten.